Erfurt, 04.10.2024 – Anlässlich des Weltlehrertages, der seit 1994 jährlich am 5. Oktober begangen wird, hat der Junge tlv – die Gemeinschaft der Junglehrerinnen und Junglehrer innerhalb des tlv thüringer lehrerverband – eine Befragung durchgeführt. Alle tlv-Mitglieder bis zum Alter von 35 Jahren waren zur Teilnahme eingeladen, knapp 60 von ihnen haben den Fragebogen bearbeitet. „Die Ergebnisse sind besorgniserregend“, konstatiert Laura Lachmann, Sprecherin des Jungen tlv und stellvertretende tlv-Landesvorsitzende. „Wenn wir die Antworten ernst nehmen, dann ist in absehbarer Zeit mit noch gravierenderen Lücken bei der Personalversorgung zu rechnen.“
Die nicht repräsentative Umfrage habe ergeben, so Lachmann, dass fast jeder zweite Thüringer Lehrer unter 35 sich derzeit nicht vorstellen kann, in diesem Beruf bis zum Erreichen der Altersrente durchzuhalten. „2021 haben wir im Rahmen einer Befragung dieselbe Frage gestellt. Damals lag der Anteil der Unter-40-Jährigen, die glaubten, den Beruf vorzeitig aufgeben zu müssen, bei 46 Prozent. Jetzt haben das 44 Prozent unserer Mitglieder bis 35 Jahre angegeben. In den letzten dreieinhalb Jahren ist es der Politik also trotz permanenter Warnungen nicht gelungen, die jungen Kolleginnen und Kollegen durch Entlastungen optimistischer zu stimmen. Das finden wir sehr bedenklich.“
Als Gründe geben die Befragten laut Lachmann neben einem hohen Stresslevel und zu vielen zusätzlichen Aufgaben auch die Sorge an, im Alter nicht mehr mit den Schülern zurechtzukommen.
Jeder Vierte bereut die Berufswahl
Doch nicht nur bei den Erwartungen an die Zukunft zeige sich ein verheerendes Bild, erklärt die Sprecherin des Jungen tlv. „Unsere Befragung hat auch ergeben, dass jeder Vierte es inzwischen bereut, Lehrer oder Lehrerin geworden zu sein. Dabei sind die Umfrageteilnehmer im Schnitt gerade einmal vier Jahre im Schuldienst tätig.“ Es sei traurig zu sehen, so Lachmann, wie desillusioniert viele dieser jungen Kolleginnen und Kollegen bereits seien.
„Ich liebe die Arbeit mit den Kindern. Aber es gibt kaum Unterstützung. Eltern können einem das Leben schwer machen und das Schulamt bemüht sich nicht einmal, die bestehenden Probleme zu lösen, sondern verschlimmert sie nur noch.“
Begründung eines bzw. einer Teilnehmenden für die Reue bezüglich der Berufswahl
Bildungsgerechtigkeit und zunehmend heterogene Klassen: Was junge Lehrer beschäftigt
Im Rahmen der Befragung hätten die jungen Kolleginnen und Kollegen auch den Grad der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland einschätzen sollen, so Laura Lachmann. „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wobei 1 für extrem ungerecht und 10 extrem gerecht stand – sollten die Teilnehmenden einen Wert angeben. Insgesamt ergab sich ein Mittelwert von 5, wobei immerhin jeder Dritte einen Wert von 3 oder weniger angegeben hat. Demnach empfinden die jungen Pädagoginnen und Pädagogen unser Land als nicht sehr gerecht in puncto Bildungschancen. Das ist eine enttäuschende Wahrheit.“
„Bildung bzw. der Zugang dazu ist nach wie vor von der sozialen Herkunft und der Bildung der eigenen Eltern abhängig.“
„Durch die Herausforderungen der Inklusion und die schlechten Bedingungen, unter denen an vielen Schulen der Gemeinsame Unterricht umgesetzt werden muss, erhalten viele Kinder mit und ohne Förderbedarf nicht die Förderung, die ihnen zusteht.“
Aussagen von Teilnehmenden zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland
Bei der Frage nach dem, was sie selbst bei der Berufsausübung am meisten belaste, konnten die Teilnehmenden aus 15 Items bis zu fünf auswählen, berichtet Lachmann. An erster Stelle stehen demnach die zunehmend heterogenen Schülergruppen, die von 71 Prozent der Befragten ausgewählt wurden. Darauf folgen mit jeweils 63 Prozent zusätzliche bürokratische Aufgaben und zusätzliche Aufgaben durch Inklusion von Kindern mit Förderbedarf.
Klare Wünsche an Politik und Gesellschaft
Von der Politik wünschen sich die jungen Lehrerinnen und Lehrer laut Lachmann neben deutlich mehr finanziellen Mitteln vor allem bessere Rahmenbedingungen für die Ausübung ihres Berufs und konkrete Entlastungsmaßnahmen, zuallererst durch einen Bürokratieabbau. Eine ebenfalls häufige Antwort auf diese offen gestellte Frage war „Wertschätzung“. Diese steht auch im Mittelpunkt bei den Wünschen an die Gesellschaft.
„Ich wünsche mir von der Gesellschaft, dass die typischen Klischees, dass Lehrkräfte früh Feierabend und lange Ferien haben, aufhören und mehr Wertschätzung und Verständnis da ist für die Arbeit, die wir täglich leisten. Und ich wünsche mir, dass nicht immer geschimpft wird, dass die Schülerschaft angeblich immer dümmer wird und immer auf schlechte Ergebnisse in Studien geschaut wird. Her müssen stattdessen konstruktive Kritik und lösungsorientierte Ansätze.“
Wünsche eines bzw. einer Teilnehmenden an die Gesellschaft