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tlv thüringer lehrerverband
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Quelle: Pixabay

Schulische Gewalt: Thüringer Schulpersonal nach wie vor stark betroffen

Neue Umfrage des tlv zeigt auf: Jede zweite an einer Thüringer Schule arbeitende Person ist Opfer von Gewalt

Erfurt, 24.01.2025 – Lehrkräfte, aber auch Lehramtsanwärterinnen und -anwärter, Erzieherinnen und Erzieher, Sonderpädagogische Fachkräfte und Schulleitungen werden in Thüringen nach wie vor regelmäßig Opfer von schulischer Gewalt. Eine in der vergangenen Woche vom tlv thüringer lehrerverband durchgeführte nicht repräsentative Umfrage unter dem schulischen Personal in Thüringen hat ergeben, dass 50 Prozent seit dem Beginn des Schuljahres selbst Gewalt in der Schule erlitten haben. Zudem gaben 82 Prozent der Befragten an, dass sie im gleichen Zeitraum Vorfälle von Gewalt an ihrer Schule mitbekommen haben.

Noch vor einem Jahr, erklärt der tlv-Landesvorsitzende Tim Reukauf, hätte der Anteil der direkt von Gewalt Betroffenen noch bei 47 Prozent gelegen. „Wir sehen hier also leider einen negativen Trend für Thüringen“, so Reukauf. „Unsere aktuelle Befragung zeigt: Seit Beginn des aktuellen Schuljahres haben 23 Prozent des schulischen Personals körperliche Gewalt wie Schläge oder Tritte erlitten. 46 Prozent wurden Opfer von seelischer Gewalt wie Beleidigungen oder Bedrohung. Und 8 Prozent haben über das Internet ausgeübte Gewalt erfahren müssen. Die Gewalt ging in 70 Prozent der Fälle von Schülerinnen und Schülern aus, bei einem Viertel der Fälle von Eltern und die restlichen Vorfälle gingen auf das Konto von Kollegen.“

Befragt nach ihren Erlebnissen, schilderten die Betroffenen unter anderem:

  • Schlag in das Gesicht – Brille beschädigt
  • treten, boxen, zwicken, verbale Beleidigungen
  • als Schlampe oder Hure bezeichnet, vor die Schienenbeine getreten, eine Kollegin wurde ins Gesicht geschlagen
  • Anspucken, Bewerfen mit Schulsachen, Bewurf mit Schneebällen, Zettel mit obszönen Botschaften
  • beleidigende Nachrichten/mit Drohcharakter über die Schul-App von Eltern, beleidigende direkte Ansprache, Versenden von Bildern von Kollegen mit beleidigenden Untertiteln, Werfen von Gegenständen in Richtung Lehrer
  • Eltern beleidigen massiv verschiedene Kollegen über edupage
  • Im Elternchat wird über Lehrer*innen hergezogen, sie werden beleidigt und beschimpft. Dies wurde von anderen Eltern berichtet.
  • Drohungen, verbal wie körperlich, geäußert in Wort, Tat und E-Mail, rechtsradikale Beleidigungen und Aktionen, gezielte Körperverletzung und Sachbeschädigung, Mobbing
  • Der Schüler war mit einer Bewertung nicht einverstanden und akzeptierte die Begründung der Bewertung nicht. Er beschimpfte und beleidigte die Lehrkraft mit unflätigen Worten.

Thüringen im Vergleich zum Bund

Die Umfrage des tlv wurde parallel zu einer repräsentativen forsa-Studie zum selben Thema durchgeführt, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) – dessen Landesverband der tlv ist – in Auftrag gegeben hatte. Im Rahmen dieser Studie wurden bundesweit Schulleitungen befragt – unter anderem zu Gewaltvorkommnissen an ihren Schulen in den letzten fünf Jahren. Im direkten Vergleich zeigt sich, dass die Thüringer Beschäftigten deutlich häufiger derartige Ereignisse mitbekommen: Im Bundesdurchschnitt haben 35 Prozent der Schulleitungen Fälle physischer Gewalt mitbekommen (Thüringer Beschäftigte: 51 Prozent). 65 Prozent aller Schulleitungen meldeten direkt ausgeübte seelische Gewalt (Thüringer Beschäftigte: 75 Prozent). Nur im Bereich der Internetgewalt lag der Wert für Thüringen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (23 Prozent in Thüringen gegenüber 36 Prozent deutschlandweit).

Gewalt nimmt zu, ist aber weiterhin ein Tabuthema

Unterschiede zeigen sich auch bei der Bewertung der Entwicklung: Während bundesweit 60 Prozent der Befragten finden, dass die schulische Gewalt in den letzten fünf Jahren eher zugenommen hat, liegt dieser Wert in Thüringen bei 70 Prozent.

Ebenfalls signifikant unterschiedlich wird die Frage bewertet, ob das Thema “Gewalt gegen Lehrkräfte” nach wie vor ein Tabuthema sei: Deutschlandweit finden das 47 Prozent der Schulleitungen, unter den Thüringer Beschäftigten sind das sogar 66 Prozent.

Prävention: Alle wünschen sich Dasselbe

Recht homogen fallen hingegen die Meinungen bezüglich geeigneter Präventionsmaßnahmen aus. Sowohl bundesweit als auch in Thüringen rangieren die folgenden Punkte auf den vordersten Plätzen:

  • angemessene Personalausstattung
  • Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams
  • Kooperationen mit staatlichen Institutionen wie zum Beispiel der Polizei
  • ein von der Schulkonferenz verabschiedeter Schulkodex
  • Fort- und Weiterbildungsangebote, Trainings und Workshops zu Prävention und Deeskalation
  • Gespräche der Lehrkräfte zu dem Thema mit Schülerinnen und Schülern

Unterstützung Betroffener scheitert in Thüringen an Schülern, Eltern und Behörden

Einen festgelegten, für alle bekannten Ablauf, wie bei Gewalt gegen Lehrkräfte vorzugehen ist (also an wen die Meldung erfolgt, wer weiterhilft, wo man Hilfe erhält etc.) gibt es bundesweit an 55 Prozent der Schulen. Für Thüringen bejahten 47 Prozent der Beschäftigten diese Frage, wobei eine von vier Personen im Freistaat angab, es nicht zu wissen.

Gefragt nach den Gründen, warum sie betroffene Kolleginnen und Kollegen nach einem Vorfall von Gewalt nicht in dem von ihnen gewünschten Maße unterstützt haben oder unterstützen konnten, gaben jeweils eine von drei Personen aus Thüringen die Uneinsichtigkeit von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern an. Jeweils eine von vier Personen nannte zu hohe bürokratische Hürden und mangelndes Engagement der Schulbehörden als Ursachen. Dies entspricht weitestgehend den Werten für das Bundesgebiet.

Belastung nimmt zu

Wie schwer das Thema schulische Gewalt für die Thüringer Beschäftigten wiegt, zeigt sich auch an der Belastungsskala: Hierbei sollten die Befragten mittels eines Wertes zwischen 1 (überhaupt nicht) und 10 (extrem) angeben, wie stark sie der Gedanke belastet, am Arbeitsplatz Opfer von seelischer oder körperlicher Gewalt zu sein oder vielleicht zu werden.

Während noch vor einem Jahr das arithmetische Mittel bei 4,8 lag, ergab sich nun ein Durchschnittswert von 5,4. Zudem erhöhte sich der Anteil derer, die eine Belastung von 7 oder höher angaben, von 33 auf 39 Prozent.

tlv-Landesvorsitzender: „Personal muss aktiv geschützt werden“

Die aufgezeigten Entwicklungen bezeichnet der tlv-Landesvorsitzende Tim Reukauf als „absolut alarmierend“ – und fordert deutlich mehr Schutz seitens des Dienstherrn. „Der Frust vieler Menschen und die zunehmende Enthemmung der Gesellschaft entladen sich an den Schulen, und die Beschäftigten sind dem oft schutzlos ausgeliefert. Aber Schule muss für alle Beteiligten ein sicherer Raum sein. Neben den Plänen zur Unterrichtserfüllung, die derzeit von der neuen Landesregierung geschmiedet werden, müssen die verantwortlichen Behörden deshalb unbedingt auch auf dieser Ebene aktiv werden, um das Lehrpersonal besser vor Gewalt zu schützen.“

***

An der nicht repräsentativen Umfrage des tlv, die vom 14. bis zum 22. Januar 2025 durchgeführt wurde, beteiligten sich 289 in den Schulen Beschäftigte. Für die vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegebene repräsentative forsa-Studie wurden vom 11. September bis zum 9. Oktober 2024 insgesamt 1311 Schulleitungen in ganz Deutschland befragt.

Die detaillierten Ergebnisse beider Umfragen können angefordert werden unter: presse@tlv.de

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