IQB-Bildungstrend 2024: Thüringer Schüler mit soliden Leistungen – aber die Herausforderungen bleiben gravierend
Erfurt, 17. Oktober 2025 – Der aktuelle IQB-Bildungstrend 2024 zeigt: Thüringer Neuntklässler erreichen in Mathematik und den Naturwissenschaften Ergebnisse, die im bundesweiten Vergleich solide ausfallen. In Biologie, Chemie und Physik liegen die Kompetenzen der Thüringer Schüler sogar über dem Bundesdurchschnitt. Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung – im Gegenteil.
„Die Ergebnisse sind kein Anlass zur Selbstzufriedenheit“, erklärt Tim Reukauf, Landesvorsitzender des tlv thüringer lehrerverband. „Sie zeigen vielmehr, wie viel Kraft die Schulen aufbringen, um unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit zu leisten. Aber die Belastungsgrenze ist längst überschritten.“
Der Anteil der Schulabgänger ohne Schulabschluss nimmt seit Jahren zu und liegt mit dem Abschlussjahr 2023 in Thüringen bei 10,1 Prozent und damit knapp 3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.
„Wenn 22,6 Prozent der Jugendlichen, die im Alter sind, einen mittleren Schulabschluss zu erwerben, den Mindeststandard dafür in Mathematik über alle Schulformen hinweg verfehlt, dann ist das kein Zufall. Und wenn das 2018 nur bei 11,8 Prozent der Schüler der Fall war, sendet das ein sehr deutliches Signal. Wir sind der Überzeugung, dass sich nun die Auswirkung jahrelanger Mangelverwaltung und der Entprofessionalisierung des Lehrberufs durch die Politik zeigt. Auch der Anteil der Schüler, die den Optimalstandard erreichen, ist mit nur 3 Prozent deutlich zu niedrig.“
In den Naturwissenschaften zeigt sich ein differenziertes Bild: Thüringer Schüler erreichen in Biologie, Chemie und Physik durchweg höhere Kompetenzwerte als der bundesweite Durchschnitt. Dennoch bleibt die Frage, wie nachhaltig diese Leistungen sind – insbesondere angesichts der strukturellen Probleme im Bildungssystem.
Der tlv kritisiert seit Jahren die Entprofessionalisierung des Lehrerberufs, die sich nun auch in den IQB-Ergebnissen widerspiegelt. In Thüringen unterrichten laut Bericht bis zu 20 Prozent der Lehrkräfte fachfremd, der Anteil an Quer- und Seiteneinsteiger steigt weiter. „Das ist keine Lösung, sondern ein Symptom der Mangelverwaltung“, so Reukauf. „Wer glaubt, Unterricht sei unabhängig von fachlicher und didaktischer Qualifikation möglich, ignoriert die Realität.“
Besonders besorgniserregend ist die soziale Disparität: Der Bildungserfolg hängt nach wie vor stark vom sozioökonomischen Status der Familie ab. Thüringen ist hier keine Ausnahme. „Das ist ein strukturelles Problem, das nicht durch Einzelmaßnahmen wie das Startchancen-Programm gelöst werden kann“, betont Reukauf. „Wir brauchen eine langfristige Strategie, die soziale Ungleichheiten systematisch abbaut.“
Der tlv fordert daher eine Professionalisierungsoffensive, die folgende Punkte umfasst:
- Multiprofessionelle Teams zur Entlastung der Lehrkräfte
- Echte Personalplanung statt Mangelverwaltung
- Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung
- Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs
„Die Lehrkraft ist das Fundament jedes Lernprozesses“, so Reukauf abschließend. „Wenn wir dieses Fundament weiter schwächen, gefährden wir die Zukunft unserer Kinder.“
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